Montag, 20. Dezember 2010

Hexenzorn - T. A. Pratt


Marla Mason ist die führende Hexe (im Original Zauberin, Kämpferin und Beschützerin) der kleinen Stadt Felport. Aber sie hat dort eine Widersacherin, Susan, die ihr das Amt streitig machen möchte. Dazu schafft sie einen großen Zauber, der Marla unwiederbringlich auslöschen soll.
Um das zu verhindern, benötigt Marla einen magischen Gegenstand, den es aber nur in San Francisco gibt. Mit ihrer rechten Hand Rondeau kaum dort angekommen, macht sie sich bei ihrer Suche die ersten Feinde.
Ein geheimnisvoller Magier kommt ihr ein ums andere Mal zuvor, tötet einen ihrer besten Freunde und schließlich auch diverse andere Hexen und Zauberer der Stadt.
Obwohl Marla nichts mit dieser Angelegenheit und Frisco zu tun haben will, beschließt sie, die ansässigen Magier zu warnen. Denn wer immer an der Hierarchiespitze steht, wird als nächstes umkommen. Sei es der Sex-Magier Finch, der seine Energien durch große Sex-Partys sammelt oder der Technozauberer Dalton, der Spiegelwesen seiner Selbst kreiert hat und diese alle halbe Stunde abloaden lässt. Außerdem hat der Geheimnisvolle genau das, was Marla benötigt und weigert sich, es ihr selbst für kurze Zeit zu überlassen.
Darum bleibt der schlagfertigen Hexe nichts anderes übrig, als sich zunächst um die Probleme San Franciscos zu kümmern und erst dann um ihre eigenen. Doch die Zeit läuft ihr davon ...

 
Mit dem Cover ist es diesmal so eine Sache. Natürlich ist das Original um Weiten besser, als das der deutschen Übersetzung. Aber bei dieser Geschichte fällt es doch sehr schwer, nicht das Falsche mit einem - wie auch immer gearteten - Bild zu suggerieren.
Marla passt in keine der momentan vorherrschenden Sparten; eine Person, sei sie auch verdeckt, dazustellen bringt also nichts. Noch eher hätte ich zur Rahmenhandlung tendiert: die Stadt San Francisco und als Dreingabe etwas Magisches. Warum nicht ein gelber Frosch? Oder das Wesen, welches die Menschheit vernichten will?
Manikürte Fingernägel mit einer Flamme darüber passen jedenfalls nicht und ich hoffe, dass nicht noch mehr Leser vorbeigreifen werden, weil das Cover so wie es ist ein wenig langweilig erscheint.

 
Wer hier Romantik, Liebe und/oder Erotik erwartet, ist falsch und sollte diese Rezension nicht erst weiterlesen. Bei "Hexenzorn" handelt es sich um reine Urban Fantasy (Verlag: Dark Fantasy), bei der es nicht - und sei es auch hintergründig - darum geht, die Heldin mit einem sexy übernatürlichen Wesen zu verkuppeln. So wie ich Marla kennenlernen durfte, wäre diese sicher auch unheimlich irritiert davon gewesen, wenn ihr derart der Hof gemacht worden wäre, wie man es aus zahlreichen Romanen dieser Art kennt.
Als sie dann unfreiwillig bei Finch dem Sex-Magier einen Verehrer bekommt, der darauf besteht, dass sie ihn auspeitscht und dann nicht von ihrer Seite weicht, tut sie ihm schließlich den Gefallen. Womit der junge Mann wohl nicht gerechnet hat. Aber keine Sorge, Marla kennt sich aus und peitscht ihm ihre Initialen in den Allerwertesten - unter großem Applaus der Umstehenden.
Man merkt, Marla ist von der derberen Sorte, sie hat Kopfschuppen, kleidet sich eher männlich, spricht wie's ihr gefällt und nimmt die Dinge gern selbst in die Hand. Die Komplikationen, die ihr das Leben schwer machen, sind nicht von der Fettnäpfchen-Sorte oder hausgemacht, sondern werden von der Handlung und den Feinden bedingt, sind zudem auch wirklich gefährlich.
Imposant auch, wie unerschütterlich Marlas Selbstvertrauen ist. Klar, es scheint aussichtslos, aber aussitzen hilft nicht. Also Plan entwickeln und wenn alles schief läuft, einfach drauf los. Außerdem hat so eine Hexe noch die ein oder andere Überraschung im Petto und Marla gehört zu den besten.
In dieser Art kenne ich kaum eine Heldin, auch wenn viele Autorinnen ihre Protas gern als Kick-Ass oder modern im Leben stehend verkaufen wollen. Liegt es daran, dass es sich bei T. A. Pratt um einen Mann handelt? Auch bei Sarwat Chadda fiel mir auf, wie sehr sich seine Heldin von den meisten anderen unterscheidet. Alpha-Frauen, statt Weibchen - ich werde nun öfter zu männlichen Autoren mit weiblichen Hauptfiguren greifen.
Marla ist mit interessanten Nebenfiguren umgeben worden. Da ist B., der einst Schauspieler war und dann übersinnliche Kräfte entwickelt hat, an die er selbst gar nicht so richtig glaubt. Und Rondeau, der eine Art Geistwesen ist, das sich im Körper eines Kindes festgesetzt und mit ihm zusammen erwachsen geworden ist. Er ist hier der weiche Kern, entwickelt Gerechtigkeitssinn, besteht auf der Rettung der Unterdrückten, während Marla nur ein Ziel kennt: Ihre eigene Erlösung. Die vielen Magier, die ihre Energien aus den unterschiedlichsten Medien beziehen: Sex, Technik, Kannibalismus, einem magischen Zug ...
So abgedreht wie die Story, so abgedreht sind die vielen Personen, denen die Hexe aus Felport begegnet. Das macht eine ganze Weile lang sehr viel Spaß, wird aber irgendwann ein wenig zu viel. Doch es muss schwierig sein, so viele Ideen unterzubringen und die Welt, in der die Heldin agiert - von der man vielleicht noch nicht einmal weiß, ob sie in Fortsetzung gehen wird - unter einen Zauberhut zu bringen. Gut, dass Pratt das selbst aufgefallen ist, denn irgendwann war Schluss mit der fast endlosen Kette an zu rettenden Magiern und die eigentliche Handlung konnte wieder einsetzen.
Der Verlauf dieser ist stringent und wird vor allem mit den Figuren und der verwendeten Sprache gewürzt. Alles zusammen gemixt ergibt eine überaus spannende und sehr unterhaltsame Geschichte, von der übrigens nicht klar ist, ob sie zu einem guten Ende finden wird. DAS ist nur klar dadurch, dass es noch einige Folgebände gibt; Marla kann also nicht schon hier zu einem frühen Ende finden.
Felport übrigens wird allein durch Marlas und Rondeaus Äußerungen und Gedanken bildlich. Zwar erhält man ein recht negatives Bild, von versifften Spelunken, Drogendealern an jeder Ecke und einem Staatsapparat, der sich fest in der Hand der führenden Hexe befindet. Aber weil Marla diese Stadt liebt, bekommt das alles wieder einen positiven Touch. Andere Seiten Felports werden durch Susan und ihren Charakter deutlich - da ist dann eben auch die Gegenseite vertreten, die High Tower, die Schicki-Micki-Läden und all das.
Ich fand es sehr gelungen, eine Stadt auf diese Art und Weise vorzustellen. Sie wurde fassbar, obwohl sich die die Helden gar nicht in ihr aufgehalten haben; das muss man T. A. Pratt erstmal nachmachen!
Wodurch der Autor in seinem eigenen Schaffen inspiriert worden ist, wird schnell klar. Genau das aber macht den Reiz der Geschichte aus - die sich unheimlich gut als Film machen würde.
Empfehlenswert ist "Hexenzorn" eher für solche Leser, die gern mal wieder etwas anderes lesen würden, als das, was sich bisher eingebürgert hat. Etwas abgebrüht sollte man schon sein, wenn man Marla (und ihrem Team) dabei zusieht, wie sie SM praktizieren, actionreich kämpfen, einen eigenen Gerechtigkeitssinn erfinden und sich nicht um andere scheren. Eine klitzekleine homoerotische Liebesgeschichte, die aber nur erwähnt und nicht ausgebreitet wird, exsistiert.
Wer starke Protagonisten mag und sich über eine Story abseits des Üblichen freut, ist hier gut beraten. Selbst ein bisschen abgedreht zu sein, schadet übrigens nicht.



Autorenhomepage: http://www.timpratt.org/
Marla Masons Homepage: http://marlamason.net/
Tim Pratt (December 12, 1976) is a science fiction and fantasy writer and poet. He grew up in the vicinity of Dudley, North Carolina, and attended Appalachian State University, where he earned a Bachelor's in English. In 1999 he attended the Clarion East Writing Workshop. He moved to Santa Cruz, California in 2000, and currently resides in Oakland with his wife Heather Shaw and son River. He currently works as a senior editor at Locus Magazine.
Pratt's work has appeared in a number of markets, including Asimov's Science Fiction, Realms of Fantasy, Orson Scott Card's InterGalactic Medicine Show, and Strange Horizons. His story "Little Gods" (online) (2002) was nominated for Nebula Award for the Best Short Story. His story "Hart & Boot," first published in Polyphony 4, was reprinted in Best American Short Stories: 2005. His "Impossible Dreams" (Asimov's July 2006) won the Hugo Award in the Best Short Story category. Collection Hart & Boot & Other Stories was a World Fantasy Award finalist in 2008.

2 Kommentare:

  1. Freut mich, dass dir Marla gefallen hat! ist mal was anderes, das sehe ich genau so.
    LG
    Armitage

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  2. Bin nach der Rezi auch erstmal stöbern gegangen, wie andere Leser das Buch fanden. So viele Meinungen scheint es aber leider gar nicht zu geben.
    Die wenigen scheinen sich aber alle einig ;)

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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