Mittwoch, 16. September 2009

Die Herrscherin - Karen Miller ♥♥♥♥♥-♥



Hekat wird ohne Namen als Weibsbalg in einer entlegenen Region im Norden geboren. Von "dem Mann" hat sie nichts Gutes zu erwarten und "die Frau" ist genauso wenig wert, wie alle anderen weiblichen Gestalten, die in den Häusern angekettet werden.
Als eines Tages zwei Sklavenhändler durch das kleine Dorf ziehen, beschließt der Mann, Hekat an sie zu verkaufen. Obwohl erst zwölf Sommer alt und recht verwahrlost, sieht Abajai mehr in ihr und gesteht ihr in dem langen Sklaventrupp Sonderrechte zu. Er fragt sie nach ihrem Namen und sie gibt sich selbst einen - ein nie gekanntes Vorkommnis in ihrem Herkunftsort. Und doch schon ein Omen auf Zukünftiges.
Durch ihre Sonderbehandlung ("Ich bin schön. Ich bin kostbar.") versteht Hekat nicht, was man ihr zugedenkt. Sie genießt die Reise, die sie von dem furchtbaren Ort wegbringt und saugt förmlich alles auf, was der Sklavenhändler ihr beibringt. In seiner Heimatstadt Et-Raklion angekommen, bekommt sie ein Einzelzimmer und Unterricht im lesen und schreiben und im Tanz. Doch das alles im unteren Teil des Hauses, wo sie Abajai, den sie vergöttert, niemals sieht. Als sie von anderen Sklaven die Wahrheit erfährt - sie wird ausgebildet, um für viele Goldtaler weiterverkauft zu werden - und Abajai das bestätigt, ändert sich für Hekat alles. Sie begreift zum ersten Mal und beschließt, ihren Platz in der Welt und vor dem Gott selbst zu bestimmen. Sie läuft mithilfe des Skorpionamuletts, das ihr eine alte Frau gegeben hat, davon und versteckt sich. Da sie weiß, dass ihre Schönheit nur hinderlich sein wird, setzt sie ein scharfes Messer an und schneidet sich viele, viele Male im Gesicht. So gelingt es ihr, im Kriegslager bei den Köchen angeheuert zu werden.
Der Kriegsherr selbst ist es, dem sie ins Auge fällt und sie bestürmt ihn mit ihrer Bitte, eine Klingentänzerin zu werden, was er ihr verspricht. Doch der Mann hat andere Sorgen: vier Frauen und sechs tote Söhne hat er zu beklagen, dabei braucht er einen Nachfolger, denn er wird nicht jünger.
Er bewundert die junge Hekat und kann sie schon bald nicht mehr aus seinen Gedanken vertreiben. Als schließlich die fünfte Frau einen missgestalteten Sohn zur Welt bringt und sich beide umbringt, bringt ihn das fast um den Verstand. Schließlich ist es Hekat, die im Auge des Gottes ist, die ihn zur Vernunft bringen kann und ihm sagt, dass nur sie ihm einen gesunden Sohn gebären kann.
Der Hohe Gottessprecher Nagarak, der Hekats größter Widersacher werden wird, versucht zwar, es ihm auszureden, doch zieht Hekat als Herrschergattin (und Klingentänzerin) in den Palast ein und bestimmt fortan die Geschicke. Doch sie weiß, dass der Same Raklions vergiftet ist und besucht Vortka, der mit ihr zusammen Sklave gewesen ist und nun zum Gottessprecher ausgebildet wird. Einige Monate später bringt sie Zandakar zur Welt und verliebt sich das erste Mal. Sie weiß, er wird es sein, der herrschen wird.
Sie weiß aber auch, dass der Gott, von dem sie erwählt wurde, mehr vor hat. Die sieben Kriegsherrengebiete stellen ihn nicht mehr zufrieden, alle anderen außer Et-Raklion welken dahin. Es soll ein Großgebiet mit nur einem Herrscher werden. Und Hekat hat vor, dieses für ihren Sohn zu erobern.
Kein leichtes Unterfangen, doch mit der Liebe zum Gott und zu Zandakar im Herzen macht sie sich ans Werk.

Ein tolles Buch!
Nach genau so etwas suchte ich schon lange Zeit. Die Welt, die Karen Miller dem Leser vorstellt, ist bis ins Kleinste durchdacht. Klima und Region bedingen auch Lebensart und den Gott (in Form eines Skorpions). Die Menschen tragen Gotteszöpfe, spenden an Gottespfählen und die Gottessprecher bringen viele Blutopfer (Bullen, Kälber, Tauben) dar. Die Redensart ist ebenfalls angepasst und ich habe bis zum Schluß gestaunt, wie konstant die Autorin das bis zum Ende durchgehalten hat.
Hekat ist eine Frau, die sehr vielschichtig ist. Man lernt sie als junges Mädchen kennen, als sie unschuldig und unwissend ist. Nach und nach eröffnet ihr sich ihre Welt und im gleichen Maße trifft das auch auf den Leser zu. Kein einziges Mal hatte ich das Gefühl, dass ich mit irgendwelchen Informationen überschwemmt wurde und das vielleicht noch im unpassendsten Moment. Keine öden Rückblenden oder Erinnerungen.
Hekat ist im Auge des Gottes und von ihm bevorzugt. Das verschafft ihr ein Selbstbewußtsein und einen Glauben, die beide bis an alle äußersten Grenzen gehen. Sie geißelt sich genauso, wie später auch ihren Sohn. Sie ist stolz, aber sie hat ein Ziel. Manchmal mag man sie und manchmal nicht, aber immer versteht man, wie es dazu kommen konnte, dass sie so und nicht anderes reagiert. Warum sie auf Gefühle - Raklion und Vortka haben sich in sie verliebt - nicht anspringt. Bis zur Selbstaufgabe arbeitet sie nur auf ein Ziel hin.
Ob es Magie in dieser Welt gibt? Nein, nicht in dem Sinne, in dem das Fantasyleser gewohnt sind. Auch tritt der Gott nie persönlich auf. Aber wenn er Hekat und andere Begünstigte schützt, wenn er dafür sorgt, dass ein Becken voller Skorione Hekat nicht ein einziges Mal sticht, kann das nicht immer mit rechten Dingen zugehen.
Der Roman zieht sich über viele Jahre. Am Ende wird Zandakar fünfundzwanzig Jahre alt sein. Darum ist dieses Buch sehr, sehr komplex und kann von mir nur bruchstückhaft widergegeben werden.
Fakt ist, dass mich die Realität und die gesamte dargestellte Welt sehr angesprochen haben. Gemixt mit einer spannenden Handlung, bei der mir nie langweilig wurde und Figuren, die ich selten so ausgearbeitet erlebt habe, kann ich den Roman nur absolut empfehlen!
Keine Prinzessin, keine Frau, die alle durch ihr Aussehen bezirzt. Hekat bleibt stets sie selbst und beugt sich keinem Manne. Ihr Leben kann genau so abgelaufen sein, es geschehen nicht nur gute Sachen, es wird auf kein Happy End, sondern auf Realitäten, auf überraschende Wendungen hingearbeitet. Obwohl ich anmerken möchte, dass einiges auch recht vorhersehbar ist, was mich aber nie gestört hat.
Was soll ich noch rumeiern? Das ist ein toller Roman und obwohl er nicht gerade preiswert ist, kann ich nicht behaupten, dass es mir um das Geld leid täte. Mit 797 Seiten gibt es eine Menge Text, farbige Karten vorn und hinten und einige Zeichnungen (siehe Cover) im Buch.
Nur eines hat mich gestört: das Ende. Das wirkte abrupt und zu schnell. Und ist auf jeden Fall abgehackt. Darum siehe hier:

Tja, lieber Penhaligon-Verlag. Der wie vielte erste Teil ist das jetzt in Eurem Programm? Wann geht endlich mal eines davon weiter?
Ich dachte ehrlich, der Roman wäre in sich abgeschlossen und jetzt muss ich wahrscheinlich ewig warten, ehe ich erfahre wie es weitergeht. Und dann erinnere ich mich wahrscheinlich an die Hälfte der Story nicht mehr.
Aber das ist ein Wehrmutstropfen, der mit dem Roman an sich nichts zu tun hat.
Lesen!


5 Kommentare:

  1. Inhaltlich macht mich das Buch nicht so recht an, aber eine gut durchdachte und überzeugende Welt finde ich immer wichtig - und wäre zumindest ein Argument mal die Nase in den Roman zu stecken! Auf jeden Fall ist es toll, dass dir das Buch so gut gefallen hat, dass du sechs(?!) Herzen vergibst. >g<

    Und so ärgerlich es ist, wenn Serien nicht weitergeführt werden, so ist es mir doch lieber, ein Verlag lässt seinen Autoren Zeit, als dass schnell eine Fortsetzung runtergeschrieben wird und den Leser dann enttäuscht.

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  2. Ja, fünf Herzen, also tolles Buch und wenn es unschlagbar ist, noch ein Zusatzherzchen :)
    So muss Fantasy sein: die Welt durchdacht bis ins Kleinste, alles aufeinander abgestimmt. Ambivalente Chakratere, die eine Entwicklung durchlaufen. Spannende Handlung, überraschende Wendungen neben ein bisschen Klischee ... *seufz
    Und realistisch, nicht auf Schicki-Micki gemacht.
    Sicher, Zeit ist wichtig, aber dann sollen sie halt gesamt warten und alles zusammen veröffentlichen. Ja, ja, ich weiß schon, nicht möglich ...

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  3. Ich gehöre ja zu den bösen Lesern, die nur noch selten von einer Wendung überrascht werden. Dafür kann ich mich mit gut erzählten Klischees hervorragend anfreunden. ;)

    Alle zusammen veröffentlichen. Wenn die Verlage das wenigstens bei den schon vollständigen Titeln auf die Reihe bekommen würden, die sie aus anderen Sprachen übersetzen ... Und nur wenige Autoren haben Band zwei schon fertig, wenn sie den ersten Teil einem Verlag anbieten, also müssen wir Leser einfach mit der Ungewissheit leben. Aber immerhin gibt es ja genügend andere Bücher, die man in der Zwischenzeit lesen kann ... :D

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  4. Anonym9.2.11

    Huhu! Ich habe deine ausführliche Rezension eben gelesen und gebe dir vollkommen recht! Ein gigantisches Buch und als ich am Ende der Lektüre merkte, dass auf 10 Seiten auch kein Abschluss mehr gefunden werden kann, war ich sehr enttäuscht...
    Nun gut, ich wusste bei Teil 2 auch nicht mehr alle Details und bei einem solch komplexen Werk würde man erwarten, dass sei fatal, doch glücklicherweise ist dem nicht so und auch ohne den ersten Teil DIREKT davor gelesen zu haben, versteht man alles prima! :)
    Schade, dass man auch noch auf Teil 3 warten muss, doch es wird sich lohnen, da bin ich optimistisch. :D
    Ich liebe diese Autorin, hast du auch "Königsmacher" und "Königsmörder" gelesen? Die sind ebenfalls toll.
    Liebe Grüße und danke für die Kommentare bei mir!

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  5. Jetzt musste ich selbst erstmal nachlesen, ist ja irre lange her. Ich wusste nur noch, dass es ein tolles Buch war. ;)
    Die Königsbücher habe ich (noch?) nicht gelesen, weil eine Freundin von mir meinte, sie hätten ihr nicht so besonders gefallen und meist haben wir einen ähnlichen Geschmack. Vielleicht stolpere ich ja doch noch mal drüber und dann war es eben der Wink einer höheren Macht, der ich mich nicht entziehen konnte oder so *g*

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Es ändert sich nichts am Kommentieren, nur muss jetzt dieser lange untere Absatz dabeistehen. Ich danke allen, die mir einen Gruß dalassen!

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